Grundpraktikum Physikalische Chemie

Brillantgrünsolvolyse

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Theoretische Grundlagen

Die Reaktionsgeschwindigkeit der Brillantgrünsolvolyse soll in Abhängigkeit des pH-Wertes untersucht und die Geschwindigkeitskonstanten berechnet werden.

Brillantgrünsolvolyse

Reaktionsgleichung
Reaktionsgleichung von Brillantgrün mit Hydroxidionen und Wasser.

Kinetik

Das dunkelgrüne Brillantgrün B reagiert unter Zugabe von Wasser oder Hydroxidionen zu seiner Carbinolbase C, die farblos erscheint (Abbildung ). Das Geschwindigkeitsgesetz mit den Geschwindigkeitskonstanten k_1 und k_2 lautet daher

\frac{\text{d}c_\text B}{\mathrm d t}=-k_1c_\ce{OH^{-}}\,c_\text B - k_2 c_\ce{H_2O}\,c_\text B

Damit handelt es sich um eine Reaktion zweiter Ordnung. Im Folgenden werden sinnvolle Annahmen gemacht, die die Reaktion zweiter Ordnung in eine erster Ordnung überführen.

Mit diesen Annahmen lässt sich Gleichung zu

\frac{\text{d}c_\text B}{\mathrm d t}= -\underbrace{\left(k'_2 + k'_1\right)}_{ = k} c_\text B

vereinfachen. Die Darstellung der Gesamtgeschwindigkeitskonstante k als

k =k'_2 + k_1\,c_\ce{OH^{-}}

erlaubt eine Bestimmung der Teilgeschwindigkeitskonstanten k'_2 und k'_1 durch die Auftragung der Gesamtgeschwindigkeitskonstanten k gegen die Hydroxidionenkonzentration. Auch wird nun ein Geschwindigkeitsgesetz erster Ordnung erhalten.

\frac{\text{d}c_\text B}{\mathrm d t}=-k c_\text B

Diese Gleichung ist durch Separation der Variablen und anschließender Integration zu lösen.

\ln \left(\frac{c_\text B(t)}{c_\text B(t_0)}\right)=-k(t-t_0)

Dabei beschreibt der Term c_\text B(t_0) die Konzentration von Brillantgrün zum Zeitpunkt t_0. Es ist zweckmäßig, den Zeitpunkt t_0 auf den Start der Messung zu legen, also t_0 = 0.

Das Lambert-Beersche Gesetz

Wird monochromatisches Licht mit der Intensität I_0 durch eine lichtabsorbierende Substanz geleitet, verlässt es die Substanz mit der geringeren Intensität I. Die differentielle Abnahme der Intensität -\mathrm dI ist in guter Näherung proportional zu der im differentiellen Wegabschnitt \mathrm d\ell vorherrschenden Intensität I. Die Proportionalitätskonstante wird k' genannt.

-\mathrm{d}I = k' \, I \, \mathrm{d} \ell

Durch Separation der Variablen und anschließender Integration erhält man, unter Berücksichtigung der Logarithmengesetze, das Bouguer-Lambertsche Gesetz.

\ln \left(\frac{I_0}{I}\right)=k'\, \ell

Es wird eine neue Konstante k eingeführt um den natürlichen Logarithmus in den dekadischen Logarithmus zu überführen. Der dekadische Logarithmus des Verhältnisses \frac{I_0}{I} wird Extinktion E genannt.

E = \log \left(\frac{I_0}{I}\right)=k\, \ell

Nach dem Beerschen Gesetz ist die Proportionalitätskonstante k proportional zu der Konzentration c.

k=\varepsilon \, c

Dabei ist \varepsilon der molare dekadische Extinktionskoeffizient. Durch Einsetzen von Gleichung in Gleichung erhält man das Lambert-Beersche Gesetz:

E=\log \frac{I_0}{I}=\varepsilon \, c \, \ell

Die so erhaltenen Gesetze gelten unter folgenden Voraussetzungen:

Isosbestischer Punkt

Mithilfe einer einfachen Methode kann belegt werden, dass die Konzentrationen von Edukten und Produkten während einer Reaktion in einem festen stöchiometrischen Verhältnis zueinander stehen. Daraus folgt, dass die Reaktion ohne Folge- und Nebenreaktionen stattfindet und die oben dargestellten einfachen Kinetikgesetze gelten . Bei Extinktionsmessungen wird die Extinktion als Funktion der Wellenlänge in einem Spektrum dargestellt. Für die Extinktion einer Reaktion, an der zwei absorbierende Substanzen A und B teilnehmen, gilt

E = \ell(\varepsilon_\text A \, c_\text A + \varepsilon_\text B \, c_\text B)

Die molaren Extinktionskoeffizienten sind wellenlängenabhängige Stoffkonstanten, ihr Verhältnis zueinander lässt sich durch einen Faktor \nu ausdrücken.

\varepsilon_\text A= \nu \, \varepsilon_\text B

Diese Beziehung kann in Gleichung eingesetzt werden, wodurch man folgenden Zusammenhang erhält:

E= \ell\, \varepsilon_\text B \, (\nu \, c_\text A + c_\text B)

Es wird der Fall untersucht, dass \nu das stöchiometrische Verhältnis wiedergibt, da sich dann der Term in den Klammern als Gesamtkonzentration c_0 darstellen lässt. Damit sind alle Terme auf der rechten Seite konstant.

E = \ell\, \varepsilon_\text B \underbrace{(\nu \, c_\text A + c_\text B )}_{c_0}= \mathrm{konst}

Das bedeutet, dass die Extinktion an allen Punkten, an denen das Verhältnis der molaren Extinktionskoeffizienten von A und B die Stöchiometrie wiedergibt, konstant ist. Diese Punkte werden isosbestische Punkte genannt. Betrachtet man mehrere zeitlich versetzt aufgenommene Spektren in einem Graphen, so handelt es sich bei der Wellenlänge, bei der sich alle Kurven schneiden, um den isosbestischen Punkt. Wie viele isosbestische Punkte beobachtet werden können liegt unter anderem am Spektrum von Edukt und Produkt.

Extinktionsmessung von Brillantgrün

Brillantgrün besitzt eine Extinktionsbande im sichtbaren Lichtspektrum und erscheint daher grün. Die Carbinolbase hingegen erscheint farblos. Die Konzentrationsabnahme lässt sich daher spektralphotometrisch verfolgen . Da der molare Extinktionskoeffizient \varepsilon für Brillantgrün besonders groß ist, reichen schon geringste Konzentrationen dieser Substanz aus, um Lösungen grün zu färben. Einsetzen des Lambert-Beerschen Gesetzes (Gleichung )

E(t) = \varepsilon\,c_\text B(t)\,\ell \qquad\qquad E(t = t_0) = E_0 = \varepsilon\,c_\text B(t_0)\,\ell

in Gleichung liefert mit t_0 = 0 dann unmittelbar

\ln \left(\frac{E(t)}{E_0}\right)=-kt

Dabei ist E_0 die Extinktion zum Zeitpunkt t = 0, also dem Start der Messung. Diese Beziehung ermöglicht es die Gesamtgeschwindigkeitskonstante zu ermitteln, indem man \ln\left(\frac{E}{E_0}\right) als Funktion der Messzeit t aufträgt und die Steigung mithilfe eines Fits bestimmt. Dabei gilt Gleichung nur unter der Voraussetzung, dass bei der Wellenlänge, bei der die Extinktion E gemessen wird, ausschließlich der Farbstoff Brillantgrün absorbiert. Um zu prüfen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, müssen die Extinktionsspektren der Reinsubstanzen Brillantgrün und Carbinolbase aufgenommen werden. Während diese Messung im Fall des Brillantgrüns direkt erfolgen kann, kann das Spektrum der Carbinolbase nur indirekt ermittelt werden, weil diese erst im Verlauf der Reaktion gebildet wird. Daher werden mehrere Spektren der Reaktionslösung zeitlich versetzt aufgenommen.

pH-Wert

Der pH-Wert ist der negative dekadische Logarithmus der Konzentration an Oxoniumionen. Definitionsgemäß wird die Konzentration an Oxoniumionen in der Einheit mol / L angegeben.

\mathrm{pH} = -\log{\left(\frac{c_\ce{H_3O^+}}{\pu{mol / L}}\right)}

Der pH-Wert wird mit Hilfe einer Glaselektrode bestimmt. Analog dazu ist der pOH-Wert

\mathrm{pOH} = -\log{\left(\frac{c_\ce{OH^{-}}}{\pu{mol / L}}\right)}

Aus dem Ionenprodukt der Autoprotolysereaktion von Wasser folgt

\mathrm{pH} + \mathrm{pOH} = 14

Versuchsaufbau

In diesem Versuch wird die Kinetik der Brillantgrünsolvolyse in Abhängigkeit von dem pH-Wert bei konstanter Temperatur untersucht. Zur Messung des pH-Wertes wird ein digitales pH-Meter mit Glaselektrode verwendet. Die Konzentrationsänderungen des Brillantgrüns werden durch Messungen der Absorption mit einem Spektralphotometer mit temperierbarem Probenhalter verfolgt.

Spektralphotometer

Im Versuch wird ein handelsübliches Spektralphotometer benutzt. Der Aufbau des Spektralphotometers ist schematisch in Abbildung dargestellt.

Schematischer Aufbau eines Spektrometers
Schematischer Aufbau eines Spektrometers.

Die Lichtquelle dient dazu, ein möglichst breites Wellenlängenspektrum zur Verfügung zu stellen. Üblicherweise verwendet man hierzu Wolfram-, Deuterium- oder Xenonlampen, letztere wird im Praktikum eingesetzt. Aufgabe des Monochromators ist es, das einfallende Licht nach der Wellenlänge aufzuteilen (zu monochromatisieren), so dass immer nur Licht eines möglichst engen Spektralbereichs durch die Probe strahlt. Als Monochromatoren verwendet man Prismen oder, wie in diesem Versuch, Gitter. Nach dem Durchstrahlen der Küvette wird die Lichtintensität mit Hilfe von Photomultipliern oder Photodioden in elektrischen Strom umgewandelt und gemessen.

Der Strahlengang des verwendeten Spektralphotometers ist in Abbildung dargestellt.

Die verwendete Küvette besteht aus Quarzglas, da herkömmliches Glas in dem betrachteten Wellenlängenbereich zu stark absorbiert. Um die Messung bei einer kontrollierten Temperatur durchzuführen, befindet sich im Photometer eine Temperierhalterung, in die die Küvette gesteckt wird. Mithilfe eines Thermostaten kann diese Temperatur eingestellt und konstant gehalten werden.

Die Quarzküvette besitzt zwei klare (Strahldurchführung) und zwei mattierte Seitenwände. Für die Messungen im Photometer muss die Küvette stets so in den Küvettenhalter gesetzt werden, dass der Lichtstrahl durch die klaren Seitenwände fällt. Achten Sie darauf, dass sie diese Seiten nie mit den Fingern berühren! Halten Sie die Küvette deshalb stets am obersten Ende der mattierten Seitenwände.

Strahlengang des Spektralphotometers
Strahlengang des Spektralphotometers.

Chemikalien

Folgende Lösungen stehen bereits angesetzt aus:

Durchführung

Tutorial zur virtuellen Durchführung

Zur virtuellen Versuchsdurchführung (Spektrumaufnahme) Zur virtuellen Versuchsdurchführung (Extinktions-Zeit-Kurven)

Videoanleitung zum Laborversuch

Vorbereitung

Hinweis beim interaktiven Versuch: Warten Sie etwa 10 Sekunden, bis sich der pH-Wert nach der Auswahl der Lösung auf einen konstanten Wert eingestellt hat. Klicken Sie dann auf Reaktion erneut starten und anschließend auf Neues Spektrum aufzeichnen bzw. Neue Zeitserie aufzeichnen.

Extinktionsspektrum von Brillantgrün

Zur interaktiven Versuchsdurchführung (Spektrumaufnahme)

Nehmen Sie das Extinktionsspektrum von reinem Brillantgrün bei 25 °C im Wellenlängenbereich von 250 nm bis 800 nm auf.

Hinweis beim interaktiven Versuch: Die Basislinienkorrektur ist unnötig. Verwenden Sie Puffer A für die Messung des Spektrums.

Extinktions-Zeit-Kurven

Zur interaktiven Versuchsdurchführung (Extinktions-Zeit-Kurven)

Messen Sie die Extinktion bei der Wellenlänge des Extinktionsmaximums von Brillantgrün für jeden der vier pH-Werte bei 25 °C über einen Zeitraum von jeweils 4 Minuten.

Wiederholen Sie die Messung für Puffer B bis D. Ein erneuter Programmstart ist nicht erforderlich.

Zeitversetzte Spektren

Zur interaktiven Versuchsdurchführung (Spektrumaufnahme)

Bei einer Temperatur von 25 °C sollen fünf Spektren im Wellenlängenbereich von 250 nm nm bis 800 nm aufgenommen werden. Dabei sollen die Messungen zeitlich um je drei Minuten versetzt erfolgen. Verwenden Sie Pufferlösung D.

Versuchsende

Auswertung

Hinweis: Geben Sie bitte alle Messwerte (einschließlich Spektren) im Protokoll an.

Vorbereitung auf das Kolloquium

Das Kolloquium beinhaltet zwei Themen. In beiden Themen wird vorausgesetzt, dass von den besprochenen Größen die physikalische Bedeutung, die Einheit und die Berechnung des zugehörigen Fehlers bekannt sind.

Erstes Thema: Zweites Thema:

Quellen