Fortgeschrittenenpraktikum Physikalische Chemie

Lichtstreuung

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Zusammenfassung

In diesem Versuch charakterisieren Sie wässrige Dispersionen geladener Polystyrol-Nanopartikel und wässrige Dispersionen von Silica-Nanopartikeln (Ludox™) mit der Dynamischen Lichtstreuung. Hierbei lernen Sie auch, wie sich der Partikelformfaktor sowie der Strukturfaktor auf das Streuwinkel-abhängige Messergebnis von polydispersen bzw. zu konzentrierten Proben auswirkt.

Lernziele:

Theoretische Grundlagen

Statische Lichtstreuung

Streuung von Gasmolekülen

Elektromagnetische Wellen wie das Licht induzieren in den Gasmolekülen einen oszillierenden Hertzschen Dipol, der seinerseits als Quelle für die gestreute Sekundärwelle dient. Die Amplitude dieses Dipols m(t), und damit die Intensität des gestreuten Lichtes, hängt hierbei von der Polarisierbarkeit \alpha des Moleküls ab. Für die Amplitude des einfallenden Lichts gilt.

E(x,t) = E_0 \cos\left(\frac{2\pi x}{\lambda} - \frac{2\pi t}{\lambda / c}\right)

Hierbei ist \omega = 2\pi\nu = 2\pi c/\lambda die Frequenz des mit der Wellenlänge \lambda einfallenden Lichtes, und |\vec k|= 2\pi / \lambda ⃗ der Wellenvektor, wobei in Gleichung 1 der Einfachheit halber linear polarisiertes Licht, welches sich in x-Richtung ausbreitet, angenommen wurde. Abbildung 1 zeigt die entsprechende isotrope, d.h. senkrecht zur Schwingungsachse des Hertzschen Dipols kreisförmig in alle Richtungen, Ausbreitung des gestreuten Lichtes.

Isotrope Ausbreitung des an einzelnen Gasmolekülen gestreuten Lichtes.

Für die Amplitude des gestreuten Lichtes erhält man entsprechend:

E_\text s = \left(\frac{\mathrm d^2 m}{\mathrm d t^2}\right) \cdot \frac{1}{r_\text Dc^2}=\frac{-4\pi^2\nu^2\alpha E_0}{r_\text Dc^2}\cdot\exp\left(i(2\pi\nu t-\vec k\cdot \vec r_\text D)\right)

Beachten Sie hierbei, dass entsprechend der komplexen Exponentialfunktion in Gleichung 2 die Amplitude sowohl mit der Zeit als auch mit dem Ort oszilliert.

Bei einem statischen Lichtstreuexperiment wird nicht die Amplitude, sondern deren Betragsquadrat, d.h. die Streuintensität, detektiert: I_\text s=\vec E_\text s \cdot \vec E_\text s^*=|\vec E_\text s|^2. Die von N Gasmolekülen emittierte Rayleighstreuung ist wie folgt gegeben

I=\frac{I_\text s}{I_0} = \frac{1}{r_\text D^2}\cdot\frac{16 \pi^4}{\lambda ^4}\alpha^2 N

mit I_0 der Intensität des einfallenden Lichtstrahles, und r_\text D der Entfernung zwischen Streuereignis und Detektor.

Streuung von kleinen Teilchen in Lösung

Reine Flüssigkeiten streuen Licht in geringem Maße aufgrund von zufälligen Dichtefluktuationen, die durch die thermische Bewegung der Moleküle verursacht werden. Für Lösungen sind hingegen im Wesentlichen die Konzentrationsfluktuationen der gelösten Partikel für die Streuung verantwortlich. Somit ist die Streuintensität näherungsweise nur vom Streukontrast der gelösten Partikel b, sowie den erwähnten Konzentrationsfluktuationen, die über die Konzentrationsabhängigkeit des osmotischen Drucks gegeben sind, abhängig:

I_\text s \propto b^2 k T \frac{c}{\left(\frac{\mathrm d \pi}{\mathrm d c}\right)_T}

Nach van’t Hoff gilt für ideale bzw. reale Lösungen:

\begin{aligned} \left(\frac{\mathrm d \pi}{\mathrm d c}\right)_T &= \frac{kT}{M}\quad\text{ideal verdünnt}\\ \left(\frac{\mathrm d \pi}{\mathrm d c}\right)_T &= kT\cdot\left(\frac{1}{M}+2A_2 c + \dots\right)\quad\text{real (verdünnt mit endlicher Konzentration)} \end{aligned}

(M ist die Molmasse der gelösten Stoffs, 𝐴_2 der zweite Virialkoeffizient des osmotischen Drucks)

Man erhält für ideale, d.h. hochverdünnte Lösungen sehr kleiner streuender Partikel folgende einfache Gleichung für die Intensität des gestreuten Lichtes:

I_\text s \propto b^2 cM

Hierbei hängt der Streukontrast b^2 nun nicht mehr, wie bei Gasmolekülen, von der absoluten Polarisierbarkeit, sondern von der Differenz der Polarisierbarkeiten gelöstes Molekül und Lösemittel \Delta \alpha ab, wobei diese über die entsprechenden Brechungsindizes gegeben ist:

\Delta \alpha = \alpha - \alpha_0 = \frac{\varepsilon-\varepsilon_0}{4\pi N/V}=\frac{n_\text D^2-n_{\text D,0}^2}{4\pi N/V}

mit n_\text D dem Brechungsindex des gelösten Substrates, n_{\text D,0} dem des Lösemittels, und N/V der Anzahl an gelösten Teilchen pro Detektions-Volumen (= Steuvolumen).

Um eine absolute Streuintensität zu erhalten, die nicht von den experimentellen Bedingungen wie Größe des Streuvolumens = Querschnitt von beleuchteter und beobachteter Probenregion, Empfindlichkeit des Detektors oder Distanz Probe- Detektor abhängt, definiert man die absolute Streuintensität (= Rayleigh-Verhältnis) wie folgt:

R=\left(I_\text s - I_\text{LM}\right)\cdot \frac{r_\text D^2}{V}= \frac{4\pi^2}{\lambda_0^4}\cdot n_{\text D,0}^2\cdot \left(\frac{\mathrm d n_\text D}{\mathrm d c}\right) \cdot \frac{cM}{N_\text L},

mit dem sogenannten Brechungsindexinkrement

\left(\frac{\mathrm d n_\text D}{\mathrm d c}\right)\sim \frac{n_\text D - n_{\text{D},0}}{c}

Experimentell bestimmt man das Rayleigh-Verhältnis, indem man den Streubeitrag des Lösemittels I_\text{LM} als Untergrund von der gemessenen Intensität I_\text s abzieht, und anschließend mithilfe des Verhältnisses eines absoluten Streustandards I_\text{std,abs}, typischerweise reines Toluol, und der an der Apparatur gemessenen Streuintensität des Standards I_\text{std} normiert

R = (I_\text s - I_\text{LM}) \cdot \frac{I_\text{std,abs}}{I_\text{std}}

Durch Vergleich von Gleichungen 6 und 8 ergibt sich somit für den Streukontrast b^2 bzw. K:

b^2 = \frac{4\pi^2}{\lambda_0^4N_\text A}\cdot n_\text{D,0}^2\cdot \left(\frac{\mathrm d n_\text D}{\mathrm dc}\right)^2=K

Ist die Lösung nicht ideal verdünnt, so müssen zusätzlich noch interpartikuläre WW zwischen gelöstem Substrat und Lösemittel in Form des 2ten Virialkoeffizient berücksichtigt werden, und man erhält für Lösungen sehr kleiner Teilchen (< 10 nm):

\frac{Kc}{R} = \frac{1}{M}+2A_2c + \dots

Streuung von verdünnten Lösungen von Nanopartikeln (> 10 nm)

Für sehr kleine Teilchen < 10 nm überlagern sich die von verschiedenen Hertzschen Dipolen = Streuzentren innerhalb eines Teilchens emittierten Streuwellen perfekt konstruktiv, die gemessene absolute Streuintensität R ist somit isotrop, d.h. unabhängig vom Beobachtungswinkel, und zudem abhängig von der Anzahl der streuenden Partikel pro Volumen N, sowie der Anzahl der Streuzentren pro Partikel zum Quadrat. Letztere ist ihrerseits proportional zur Molmasse M, somit ist R proportional NM^2.

R\propto N\cdot m^2 = n N_\text A \cdot \left(\frac{M}{N_\text A}\right)^2 = \frac{1}{N_\text A}\cdot c \cdot M

Für größere gelöste Partikel kommt es hingegen aufgrund des größeren Gangunterschiedes auch zu teilweiser Auslöschung der gestreuten Wellen (= Interferenzen), und die gemessene Intensität wird dadurch abhängig vom Beobachtungswinkel. Dieser wichtige Unterschied zwischen der Streuung an sogenannten Punktstreuern (< 10 nm) sowie an größeren Partikeln ist nochmals in Abbildung 2 skizziert:

Stark vereinfachte Simulation zu N zufällig platzierten Streuzentren innerhalb eines Partikels mit Radius R (hier in nur zwei Dimensionen). Mit steigendem Radius werden Interferenzeffekte sichtbar.

Die absolute Streuintensität von Partikeln > 10 nm hängt somit vom Streuwinkel ab. Deshalb führen wir den sogenannten Streuvektor \vec q ein, der die optische Auflösung und Längenskala des Streuexperiments angibt:

Streuvektor \vec q.

Wie in Abbildung 3 gezeigt ist der Streuvektor \vec q durch die Differenz der Wellenvektoren des detektierten gestreuten Lichtes und des einfallenden Lichtes, also \vec q = \vec k - \vec k_0 gegeben. Da beide Wellenvektoren den gleichen Betrag aufweisen |\vec k| = |\vec k_0|=2\pi n_\text D/\lambda (elastische Streuung), ist der Betrag des Streuvektors gegeben als:

q=\frac{4\pi n_\text D\cdot \sin\left(\theta/2\right)}{\lambda}

\theta ist der Streuwinkel, \lambda die Wellenlänge der Lichtquelle und n_\text D der Brechungsindex des Lösemittels. Damit ist \lambda / n_\text D der Wellenvektor in der Probe.

Anschaulich nimmt man umso mehr Details von den streuenden Partikeln wahr, je größer q, d.h. je kleiner die beobachteten intrapartikulären Distanzen (s. Abbildung 4 und Tabelle 1):

Streuvektor q als Vergrößerungsstufe (inverse Längenskala)
Streuvektor q als Vergrößerungsstufe (inverse Längenskala); hier mit R als Trägheitsradius einer Polymerkette.
Bereich Sichtbare Struktur Charakterisierung Exp. Details
qR \ll 1 Nur Knäuel als Ganzes Masse, Trägheitsradius Bereich der Zimm-Plots
qR \lt 1 Partikelform Topologie
qR \approx 1 Details der Partikelform z.B. Achsenlängen anisotroper Partikel
qR \gt 1 Zoom ins Knäuelinnere Kettengestalt (Helix, flexible Knäuel, Stäbchen)
qR \gg 1 Einzelne Kettensegmente Konformation, Taktizität

Durch paarweises Aufsummieren über sämtliche Interferenzen erhält man für die q- abhängige Streuintensität von N Teilchen mit jeweils Z Streuzentren:

R(q)=Nb^2\cdot |\sum_{i=1}^Z \sum_{j=1}^Z \exp\left(-i \vec q \cdot (\vec r_i - \vec r_j)\right)| =Nb^2\cdot |\sum_{i=1}^Z \sum_{j=1}^Z \exp\left(-i \vec q \cdot \vec r_{ij}\right)|

Berücksichtigen wir, dass die streuenden Partikel zufällig orientiert sind, können die Abstandsvektoren (\vec r_i - \vec r_j) mit dem Betrag r_{ij} ersetzt werden. Zusätzlich definieren wir den sogenannten Partikelformfaktor P(q) als R(q) normiert mit der Partikelanzahl N, der Anzahl an Streuzentren pro Partikel Z^2, und dem Kontrastfaktor b^2.

P(q)=\frac{1}{NZ^2b^2}R(q) = \frac{1}{Z^2} \sum_{i=1}^Z \sum_{j=1}^Z \frac{\sin\left(q r_{ij}\right)}{q r_{ij}} =\frac{1}{Z^2} \sum_{i=1}^Z \sum_{j=1}^Z \left(1-\frac{1}{6}q^2r_{ij}^2+\dots\right)

Ersetzt man die kartesischen Koordinaten durch Schwerpunktkoordinaten s_i, so entfallen die Summenzeichen, und man erhält, als erste Glieder einer Taylorentwicklung:

P(q) = 1-\frac{1}{3}\cdot q^2\cdot s^2,

mit dem Trägheitsradius s (or R_\text g) als:

\frac{1}{Z^2} \sum_{i=1}^Z \sum_{j=1}^Z r_{ij}^2 = 2 Z^2 s^2

Für streuende Teilchen > 50 nm darf die Reihenentwicklung des Partikelformfaktors nicht abgebrochen werden!

So gilt z.B. für homogene Kugeln mit Radius R:

P(q) = \frac{9}{(qR)^6} \cdot \left(\sin(qR) - qR \cdot \cos(qR)\right)^2
Partikelformfaktor P(q) für eine Kugel versus q in logarithmischer Auftragung. Die vertikalen Linien stellen die vier Winkel der im Praktikum verwendeten Apparatur dar.

Dynamische Lichtstreuung

In einer Lösung streuender Partikel führt deren Brownsche Bewegung zu zeitlichen Fluktuationen der inter(!)-partikulären Interferenzen und somit zu zeitlichen Fluktuationen der Streuintensität (I(q, t)).

Skizze der zeitlichen Änderung der Partikelinterferenz und die resultierende Änderung der Streuintensität.

Im Realraum beschreibt die van-Hove-Autokorrelationsfunktion die zeitliche Veränderung der Teilchenorte (n = 0 (kein Teilchen) oder 1), das zugehörige DLS- Signal entspricht der Fourier-Transformierten:

G_\text s(\vec r,\tau) = \langle n(\vec 0,t)\cdot n(\vec r, t+\tau)\rangle_{V,T} \quad\Leftrightarrow\quad F_\text s(\vec q, \tau) = \int G_\text s(\vec r, \tau)\cdot \exp(i\vec q\cdot \vec r)\mathrm d\vec r

Die lokale Partikelanzahldichte n(\vec 0,t) bzw. n(\vec r,t+\tau) nimmt entweder den Wert 0 oder 1 an, abhängig davon ob sich ein Partikel zur gegebenen Zeit an der gegebenen Stelle befindet. \vec r ist der Abstandsvektor zwischen den zwei zeitlich korrelierten Positionen.

Die Bewegung des Einzelteilchens (“Random Walk”) wird hierbei über das mittlere Verschiebungsquadrat \langle\Delta R(\tau)^2\rangle und den Selbstdiffusionskoeffizienten D_\text s, der über die Stokes-Einstein-Gleichung gegeben ist, beschrieben:

\langle\Delta R(\tau)^2\rangle = 6 D_\text s \tau \qquad\qquad D_\text s = \frac{kT}{f}=\frac{kT}{6\pi\eta R_\text H}

Interaktive Darstellung der Rechenvorschrift für die Autokorrelationsfunktion:

Im oberen Graphen wird das Signal f als Funktion der Zeit dargestellt, darunter das um \tau zeitlich verschobene Signal (für nicht vorhandene Werte wird 0 verwendet).

Für jeden Wert von \tau wird der zeitliche Mittelwert über das Produkt aus Signal f(t) multipliziert mit dem um \tau verschobenen Signal f(t+\tau) versetzt bestimmt (dritter Graph, blaue Linie). Im untersten Graph ist die Autokorrelationsfunktion als Funktion der Zeitverschiebung \tau geplottet.

D_\text s beschreibt physikalisch die Balance aus thermischer Energie kT, die die streuenden Partikel zur Brownschen Bewegung antreibt, und Reibungsterm f, welcher die Teilchen in ihrer Bewegung bremst. f hängt hierbei vom hydrodynamischen Radius der Teilchen R_\text H, sowie von der Viskosität des umgebenden Lösemittels \eta, ab.

Bei der dynamischen Lichtstreuung wird experimentell die Amplituden- Korrelationsfunktion F_\text s(q,\tau) aus der zeitabhängigen Streuintensität I(t) sowie der Intensitätskorrelation \langle I(t) \cdot I(t + τ)\rangle wie folgt bestimmt: (beachte: bei der statischen Lichtstreuung betrachtet man die zeitlich gemittelte Streuintensität \langle I(q, t)\rangle (s.gestrichelte Linie im linken Plot) !):

Über die Siegert-Relation wird die gemessene Intensitätskorrelationsfunktion in die normierte Amplitudenkorrelationsfunktion überführt:

F_\text s(q,\tau) = \exp(-D_\text sq^2 \tau)= \langle E_\text s(q, t)\cdot E_\text s^* (q,t+\tau)\rangle =\sqrt{\frac{ \langle I(q,t) I(q,t+\tau)\rangle^2 }{\langle I(q,t)\rangle^2}-1}

Für monodisperse hochverdünnte Proben entspricht die Amplitudenkorrelation nach Gleichung 22 bei logarithmischer Auftragung somit einer Geraden, aus deren Steigung sich der Selbstdiffusionskoeffizient D_\text s, und aus diesem über die Stokes-Einstein-Gleichung 19 der hydrodynamische Radius der streuenden Partikel, ergibt.

DLS-Datenanalyse für polydisperse Proben:

Für polydisperse Proben ist F_\text s (q, \tau) eine Überlagerung verschiedener e-Funktionen: For polydisperse samples,

F_\text s(q, \tau) = \frac{\sum_i n_i M_i^2 P_i(q)\cdot \exp(-D_i q^2 \tau)}{\sum_i n_i M_i^2 P_i(q)}

Beachten Sie den Wichtungs-Faktor n_i M_i^2 P_i(q), der bis auf den fehlenden Kontrastfaktor K_i der mittleren absoluten Streuintensität R_i der Partikel der Spezies i entspricht. Der Kontrastfaktor kürzt sich heraus, da sich die betrachteten Partikel nur in der Gräße, nicht aber in der chemischen Zusammensetzung unterscheiden und so die Kontrastfaktoren identisch sind (K_i = K).

Entwickelt man diese Funktion in eine Taylor-Reihe (Kumulanten-Verfahren), so erhält man für \ln F_\text s(q,\tau):

\ln F_\text s(q,\tau)=-\kappa_1\tau + \frac{1}{2!} \kappa_2 \tau^2 -\frac{1}{3!} \kappa_3 \tau^3

Der 1. Kumulant \kappa_1 = \langle D_\text s\rangle q^2 liefert hier den mittleren Diffusionskoeffizienten \langle D_\text s\rangle und somit auch einen mittleren Radius über die Stokes-Einstein-Gleichung, wobei diese Mittelwerte jedoch nur für Teilchen < 10 nm sauber definiert und unabhängig vom Detektionswinkel sind (s.u.). Der 2. Kumulant \kappa_2 ist ein Maß für die Polydispersität.

Wichtig: Für Teilchen, die im Mittel größer als 10 nm und polydispers sind, ist der Diffusionskoeffizient wegen des q-abhängigen Wichtungs-Faktors P_i(q) nur ein apparenter q-abhängiger Diffusionskoeffizient!

D_\text{app}(q) = \frac{\sum_i n_i M_i^2 P_i(q)\cdot D_i}{\sum_i n_i M_i^2 P_i(q)} =\langle D_\text s\rangle_z \cdot (1+k_1+\langle s^2\rangle_z\cdot q^2)

Für q \rightarrow 0 wird aus D_\text{app}(q) das z-Mittel, da hier sämtliche Formfaktoren P_i(q) = 1

Spezies 1
Spezies 2
Spezies 3
Semilogarithmische Auftragung der normierten Amplitudenkorrelationsfunktion für eine monodisperse Probe (nur Spezies 1, also n_2 = 0, n_3 = 0). Der Diffusionskoeffizient ist proportional zur Steigung der Kurve und kann mit dem Schieberegler eingestellt werden. Für polydisperse Proben (n_2, n_3 \neq 0) können ebenfalls die Diffusionskoeffizienten eingestellt werden. In der obigen Auftragung ergeben sich so je nach Wahl der Parameter abschnittsweise lineare Kurvenabschnite für die jeweilige Spezies.

Für polydispersen Proben ergibt sich der mittlere (apparente) Diffusionskoeffizient nach dem Kumulanten-Verfahren somit formal aus der Anfangs-Steigung der in Abbildung rechts gezeigten Kurve. Dieser Wert stellt wie bereits erwähnt wegen der Wichtung mit den Formfaktoren P_i(q) im Allgemeinen nur einen q-abhängigen apparenten Mittelwert D_\text{app} dar!

Die Bestimmung des z-gemittelten Diffusionskoeffizienten erfolgt entsprechend Gleichung 25 durch Auftragung von D_\text{app}(q) vs. q^2 und Interpolation q \rightarrow 0, da in diesem Falle sämtliche Formfaktoren den Wert 1 annehmen (s. Abbildung 10). Beachten Sie, dass diese Linearisierung nur für Teilchen im Radienbereicht 10 nm < R < 100 nm funktioniert, für größere Teilchen ist der Verlauf des Formfaktors und damit die q- abhängige Wichtung in D_\text{app}(q) deutlich komplizierter (s. Abbildung 5)!

Bestimmung des z-gemittelten Diffusionskoeffizienten durch Interpolation von D_\text{app} für q\rightarrow 0. Diese Abbildung gilt nur für Teilchen im Größenbereich \pu{10 nm} \lt R \lt \pu{100 nm}!

Dynamische Lichtstreuung an konzentrierteren Proben

Für konzentriertere Proben führen Wechselwirkungen zwischen den Partikeln zu einer geordneteren Verteilung der Partikel in Lösung sowie einer Korrelation der Interpartikel-Bewegung, weshalb in der DLS nicht mehr der Selbstdiffusionskoeffizient, sondern ein sogenannter kollektiver Diffusionskoeffizient, gemessen wird. Die Interpartikel-Wechselwirkungen und die daraus resultierende Ordnung führen dazu, dass auch die zeitlich gemittelten interpartikulären Interferenzen des Streulichtes nicht mehr konstant gleich “1“ gesetzt werden, sondern vom Streuwinkel abhängen: man nennt die zugehörige Interferenz-Funktion auch “statischer Strukturfaktor S(q)“. Dieser Strukturfaktor zeigt, wie in Abbildung 10 skizziert, die Signatur einer gedämpften Oszillation um den Wert 1:

Skizze des statischen Strukturfaktors S(q) einer konzentrierten Kolloiddispersion. Beachten Sie, dass der q-Messbereich für Probe 5 im Praktikum weit links vom ersten Maximum liegt, so dass S(q)\approx 0.5.

Näherungsweise (d.h. bei Vernachlässigen einer hydrodynamischen Kopplung zwischen Nachbarpartikeln (H(q)), gerechtfertigt für geladene Nanopartikel mit vergleichsweise großen Interpartikelabständen) ist die Winkelabhängigkeit des apparenten kollektiven Diffusionskoeffizienten gegeben als:

D_\text{app}(q) = \frac{D_0}{S(q)},

wobei D_0 der für sehr verdünnte Partikeldispersionen, d.h. ohne Interpartikel- Wechselwirkungen (S(q) = 1), gemessene Selbstdiffusionskoeffizient ist.

Versuchsaufbau

Im Folgenden ist eine Photographie der im Praktikum benutzten Lichtstreuapparatur gezeigt. Diese wurde eigens für das PCF-Praktikum im WS 2012/13 neu angeschafft, d.h. von Dr. Wolfgang Schupp/HS GmbH/Oberhilbersheim nach Vorgaben von W.Schärtl konstruiert!

Dynamische Lichtstreuung: 4-Winkel-Lichtstreuung (50°, 70°, 90° und 110°) mit multi-tau Digitalkorrelator (Laser-Diode: 532 nm, max. 100 mW).

Vorgehen

Probenpräparation

Bei den untersuchten Proben handelt es sich um Polystyrol-Latex-Partikel bzw. Ludox- Partikel mit unterschiedlichen Radien, die in Wasser dispergiert sind. Die Proben wurden nach dem Ansetzen vom Assistenten mit einer Spritze mit aufgesetztem Membranfilter in eine Lichtstreuküvette filtriert, um Staub aus der Lösung zu entfernen (warum?). Die Küvette wurde zuvor mit gefiltertem Wasser sorgfältig gespült, um auch diese vom Staub zu reinigen. Vor der Messung wird die Küvette, die mit einem Teflonstopfen verschlossen ist, vorsichtig in dem Probenhalter der Lichtstreuapparatur eingesetzt.

Lichtstreuküvette

Dynamic light scattering measurement procedure

Die Messungen zur dynamischen Lichtstreuung erfolgen simultan mit einer Vielwinkelapparatur. Hierbei bestimmt der Digitalkorrelator bereits während der Messung (Mess-Dauer: 1 Minute pro Probe) die normierten Amplitudenkorrelations- funktionen, die sich zur weiteren Auswertung mit „Excel“ als txt-Datei (Format: 1.-5. Spalte: log tau/s, 110°, 90°, 70°, 50°) abspeichern lassen. Die erste Probe wird zur Einführung in das Messgerät unter Anleitung des Assistenten vermessen, die weiteren Proben dürfen Sie eigenständig untersuchen.

Hinweis: die maximale Intensität darf 5000 Counts keinesfalls überschreiten!!!

Folgende bereits angesetzte Proben werden, jeweils bei den Streuwinkeln 50°, 70°, 90°, und 110°, mittels DLS untersucht:

Auswertung

Die vom Computer der DLS-Apparatur ausgegebenen normierten Amplituden- korrelationsfunktionen mit abgezogener Basislinie (!) werden sämtlich entsprechend dem Kumulantenverfahren (s. Gleichung 24) ausgewertet:

Hierfür trägt man den natürlichen Logarithmus der Korrelationsfunktion gegen die Korrelationszeit auf, und bestimmt die Anfangs-Steigung gemäß

\ln F_\text s (q,\tau = \ln g_1 (q, \tau)= -\kappa_1 \tau,\quad\kappa_1 = D_\text{app}q^2

Über die Stokes-Einstein-Gleichung (s. Gleichung 19) erhält man nun den jeweiligen apparenten hydrodynamischen Radius R_\text{H,app}:

D_\text{app} =\frac{k_\text BT}{f}=\frac{k_\text BT}{6\pi\eta\cdot R_\text{H,app}}

Diese Auswertung wird, nach Import der Rohdaten, von speziellen Excel-worksheets übernommen, in deren Benutzung Sie am jeweiligen Praktikumstag nach Durchführung der Messungen kurz eingewiesen werden. Diese worksheets werden Ihnen anschließend für Ihre Auswertung zur Verfügung gestellt.

Diskutieren Sie jeweils, falls im Rahmen des Fehlers vorhanden, die Winkelabhängigkeit des hydrodynamischen Radius!

Hinweise zur Diskussion der Ergebnisse:

  1. Bei Probe 3 müssen die jeweiligen Partikelformfaktoren berücksichtigt werden. Beachten Sie hierbei, dass der Formfaktor der Partikelsorte 2 bei ca. 70° - 90° ein Minimum aufweist, während der Formfaktor von Partikelsorte 1 von 50° bis 110° stetig und immer steiler abfällt (s. Abbildung 5).
  2. Bei Probe 5 spielt der statische Strukturfaktor (= zeitlicher Mittelwert der interpartikulären Interferenz) eine Rolle. Beachten Sie, dass sich die 4 Streuwinkel weit links vom Strukturfaktor-Maximum befinden!

Fragen zur Vorbereitung

  1. Wovon hängt die mittlere absolute Streuintensität R (auch: Rayleigh-Verhältnis) für eine Lösung von Teilchen beliebiger Größe ab?
  2. Geben Sie die Stokes-Einstein-Gleichung an.
  3. Was ist das mittlere Verschiebungsquadrat?
  4. Wie ist die in der dynamischen Lichtstreuung gemessene Intensitätskorrelationsfunktion definiert (mathematisch und anschaulich)?
  5. Wie erhält man aus dieser Intensitätskorrelationsfunktion die normierte Amplituden- korrelationsfunktion F_\text s(q,\tau)?
  6. Was versteht man unter dem apparenten Diffusionskoeffizienten?
  7. Was versteht man unter dem kollektiven Diffusionskoeffizienten?
  8. Wie hängt der statische Strukturfaktor von der Stärke der Interpartikel-WW ab?

Gefährdungsbeurteilung des Versuches

Die Apparatur enthält einen Diodenlaser (Wellenlänge 532 nm, Leistung < 100 mW) der Gefährdungsklasse 3b. Die Laserstrahlung wird beim Öffnen der Apparatur durch einen elektrischen Kontakt direkt unterbrochen, so dass kein unmittelbarer Zugang zum emittierten Laserlicht besteht.

Unbedingt beachten:

  1. Messungen nur nach Unterweisung durch den verantwortlichen Versuchsbetreuer durchführen.
  2. Niemals (!) bei geöffneter Klappe der Apparatur den Auslösekontakt für den Laser berühren (Metall-Kippschalter am linken oberen Rand des Messtopfes)!!!

Literatur